Folge 54

 


Vorweg

Die letzte New-Frohmanntic-Folge erreichte einen Tippfehlerrekord, was daran lag, dass ich sie, ohne den ganzen Tag über auch nur einen einzigen Kaffee getrunken zu haben, faul im Hotelbett schrieb, das war keine gute Idee. Selbst in der Instastory mit Link stand Folge 33, statt 53. Im Blog-Post konnte ich die Fehler später korrigieren, in Mails geht das aus offenkundigen Gründen leider nicht.

Vor ein paar Jahren wäre man als Person, zu deren beruflichem Portfolio auch »Lektorin« gehört, noch vor Scham gestorben, aber mittlerweile ist es ambivalent, weil die hundertprozentigen Wächter der deutschen Sprache (die gibt es nur generisch maskulin) ja keine Clique sind, zu der man gehören möchte. Trotzdem sorry, denn mich nervt schlecht Redigiertes beim Lesen auch sehr.

Etwas Altes: Der Crush-Crash

Ich habe für Johnny Depp geschwärmt, seit ich 18 war und dann ungefähr 30 Jahre lang – ziemlich unvermeidlich für Menschen, die sich Ende der 80er selbst mit Tim-Burton-Filmen prägten. Es gab keinen anderen Langzeit-Crush in meinem Leben. Obwohl ich Johnny Depps Kleidungsgeschmack, milde ausgedrückt, immer total scheiße fand. Ich fand den Menschen optisch wunderschön, außerdem ein bisschen rührend kaputt und sympathisch. Später fand ich ihn okay aussehend und immer noch sympathisch. Dann fand ich ihn nicht mehr schön – zu versoffen und druggy aussehend – und habe nicht mehr viel über Sympathie nachgedacht. Dieses sleazy Gedöns mit Marilyn Manson fand ich dann schon ziemlich unangenehm, peinlicher Altherrenkram. Meinen Crush hatte ich allerdings schon früher offiziell beendet, aus ästhetischem Horror, als diese cringe Dior-Werbung rauskam.

– Dies wird kein Text über den Prozess und die Schuldfrage. Alles daran ist grauenhaft, alles daran dürfte niemals auf der Welt so laufen. –

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es nicht allein diese paar tausend Menschen gibt, die jetzt unermüdlich TikTok vollfannen, sondern vermutlich Millionen wie mich, die sich beizeiten würdevoll von ihrem Johnny-Depp-Crush verabschiedet haben, ein bisschen um ihn (und ihre Jugend) getrauert haben, und dann war es auch gut. ICH HÄTTE JA AUCH EINEN DICKEN ENTTÄUSCHUNGSROMAN ÜBER DAS, WAS MEINEM LIFESTYLE ABHANDEN GEKOMMEN IST, SCHREIBEN KÖNNEN. SO WIE DIE ENTTÄUSCHTEN EUROPÄISCHEN MÄNNER EINEN ROMAN NACH DEM ANDEREN ÜBER DEN ENTTÄUSCHTEN EUROPÄISCHEN MANN SCHREIBEN. Das Traurige lag bei mir eigentlich nur darin, dass ich absehen konnte, dass es keinen Crush-Ersatz geben würde, weder als Angebot noch als Nachfrage.

Aber so ganz wahr ist das auch nicht. Ich crushe jetzt anders, finde nicht mehr nur cis Männer in Filmen, Serien und auf Bühnen besonders cute, sondern Menschen. Es ist also irgendwie ein happy end.

Meinen Mann finde ich zum Glück immer noch schön. Und Laser ist eh cuter, als Johnny Depp es je war.

Etwas (nicht ganz) Neues: Digitalvirtuelle Aquarien und Kamine

Wie irgendwann im New Frohmanntic angekündigt, werde ich euch nach und nach Dinge vorstellen, die mir digitalvirtuell ersetzt durchaus genügen, manchmal sogar viel besser gefallen. Heute geht es um digitalvirtuelle Aquarien und Kamine. Erst fand ich sie ein bisschen kurios, mittlerweile feiere ich sie. Ich habe zwar keine zuhause, aber erfreue mich an ihnen, wann immer ich sie woanders vorfinde.


Ein Kaminfeuer ohne tote Bäume und beim Holzverbrennen entstehende Schadstoff-Emissionen 🌲🔥🌳, im kühlen Mitteeuropa malerisch, aber nicht um den Preis von Tierquälerei und Artensterben umherschwimmende tropische Zierfische. 🐠🐡🐟 Bravo!

Man ist allerdings immer ein bisschen zu schnell dabei mit dem Absolutsetzen der Vorteile, denn hinter dem digitalvirtuellen Aquarium oder Kamin steckt ja ein stromfressender Apparat, der vorher ressourcenverbrauchend produziert wurde. Wenn dieser irgendwann kaputtgeht, ist der Müll in der Regel fieser als beim klassischen Aquarium oder Kamin. Andererseits kauft vermutlich kein Mensch einen Fernseher oder Screen nur, um ihn als digitalvirtuelles Atmo-Piece zu nutzen. Aquarium- und Kamin-Simulation sind dabei nur ein hübscher Nebennutzen. Es gilt also wie immer: Geräte möglichst lange nutzen und nicht keckig immer das neueste Modell haben müssen. Der Planet dankt es euch. Ebenso, dass ihr beim Rausgehen ganz abschaltet und nicht auf Stand-by stellt. 🙏🌍🎉

Etwas Geborgtes: Ein Zitat

»Im Sommer will ich am liebsten keine neuen Dinge herausfinden, sondern nur mit dem sein, was schon da ist.« – Lin Hierse, Wovon wir träumen, München: Piper 2022, 57
 

Etwas Uncooles: Die Cool-Girl-Wende

Kürzlich war ich inmitten eines Gesprächs unter Schriftstellerinnen, die sich verschieden gut kannten: von nicht mal im Internet verbunden bis offiziell befreundint. Das Gespräch galoppierte durch etliche Themenfelder: erwartbare, wie Literatur und Betrieb, dann aber auch Altern und Sex. Im Kern ging es immer ums zu wenig und zu viel Gesehenwerden. Eine Frau schwärmte von Sex and the City und befand auch die neuen Sachen für gut. Eine andere pflichtete bei. Ich sagte nichts, weil ich schon ahnte, was als nächstes passieren würde. Zwei andere Frauen sagten, dass sie mit Sex and the City absolut gar nichts anfangen könnten, sie sagten es impulsiv und fast mit Abscheu, so als ob ihre Worte als Bannzauber wirken müssten. Früher wäre ich eine von ihnen gewesen, denn ich habe auch nur zwei Folgen der Serie gesehen und bin nicht damit warm geworden. Das allein ist natürlich kein sachlicher Grund für Beinahe-Abscheu, der aber auch mir damals als persönliche Reaktion durchaus im Bereich des Möglichen erschienen war, und zwar, obwohl ich das Gesehene ganz lustig und unterhaltsam gefunden hatte. Da musste schon noch etwas anderes im Spiel gewesen sein. * Auftritt Patriarchat * Mein Vorurteil damals war, dass die Neigung für Sex and the City nur in Kombination mit »Mädelsabend«, Hen Nights und Cosmopolitan lesen denkbar wäre, also Frauen-Selbstkleinhaltungs-Kultur aka mega-uncool. Heute weiß ich, dass das erstens so nicht stimmt, zweitens mich auch die Hen Nights anderer Frauen nichts angehen, Solidarität hingegen schon und drittens in Wirklichkeiten ich die Uncoole war, weil ich mich als cool girl auf die Seite patriarchaler Misogynie geschlagen hatte. Nicht misogyn aka sachlich wäre gewesen und ist: »Ich habe Sex and the City nicht oft gesehen, kann also nichts beitragen.«

Solange Frauen und andere Marginalisierte immer wieder die Abwertungen der klassischen weißen cis het Diskursdudes reproduzieren, von denen die popkulturellen Exemplare aktuell vielleicht die brutalsten sind, verliert die (gute) Veränderung immer wieder unnötig an Fahrt. Das ist kein Gemecker von mir, vor allem auch keine harsche Kritik an den realen Personen – sie sind megatoll –, und es passiert mir selbst noch oft genug, deshalb beschreibe ich hier nur den Mechanismus, wie man auch mit dem Anspruch einer antifaschistischen Kämpferin unversehens die Cool-Girl-Wende machen kann. Ein »Murakami-Mädchen« – aus dem Kontext kenne ich diese Abwertungen bekanntermaßen – bin ich mit starken Einschränkungen selbst, aber ich verteidige auch die Sex and the City-Ladys, obwohl ich keine bin. Sonst ist nämlich alles für die Katz, nein, das wäre ja in meinem Sinne,– sonst ist alles fürs Patriarchat.

Rubrikloses

So wrong in so many ways aka so romantic oder: ein Bild als eine mögliche Antwort auf die Frage, warum ich 2017 mit den Präraffaelitischen Girls angefangen habe.
Ich hätte gern einen digitalen Flammenwerfer für das smarte Beantworten von Nötigungsquatsch.
Mir helfen die Clickbait-Quatsch-Umfragen dabei, noch mehr bewältigen zu müssen.
Klingt illegal.
 

Präraffaelitische Girls erklären Megalodäre, Vol. 6

Zurück zum Nichtgenügen, zu den Nichtgenugbekommenden, wir sehen uns nächste Woche. Seid lieb, nur nicht zu Nazis.

XOXO,
FrauFrohmann
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